Der Mauerfall 1989 aus Sicht des Senats von Berlin (West)
Öffnung der Grenzübergänge aus Versehen?

Was passierte kurz vor dem Fall der Mauer? Welche Ereignisse spielten sich „hinter den Kulissen“ ab?
Welches waren die Grundlagen für kommende Entscheidungen? Wurde die Mauer gar aus Versehen geöffnet?
Diese Fragen wurden von Herrn Werner Kolhoff, Zeitzeuge im Wendejahr 1989, beantwortet.

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Herr Werner Kolhoff war Senatssprecher unter dem damaligen Regierenden Bürgermeister Walter Momper (SPD). Somit konnte er als beteiligter Zeitzeuge seine sehr persönlichen Erfahrungen und eine Reihe von Ereignissen vor der Öffnung der Grenzübergänge schildern und von Missverständnissen berichten, die zur Öffnung der Mauer führten.

Er erzählte von der Besorgnis der Westberliner über die Vielzahl von Polen, die 1988 am Potsdamer Platz einen Polenmarkt betrieben, von Protesten gegen die Invasion von „Trabbis“ in West-Berlin, von der Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze im Mai 1989, vom Treffen der Herren Honecker und Momper und von der „Besetzung“ der Prager Botschaft durch 5.000 Bürgerinnen und Bürger der DDR. Und schließlich von der Mitteilung des Bundesaußenministers Genscher am 30.9.1989, dass die Ausreise genehmigt sei.

Neu für die meisten ZuhörerInnen war gewiss der Hinweis auf ein Gespräch zwischen den Herren Momper und Schabowski am 29.10.1989, in dem Schabowski den Erlass eines Reisegesetzes und Reisefreiheit auch nach West-Berlin ankündigte. Daraufhin setzte der Berliner Senat am 31.10.1989 eine Arbeitsgruppe ein, die sich mit praktischen Fragen befasste, wie z. B. Anzahl der zu erwartenden Besucher, wo das Begrüßungsgeld ausgezahlt wird, ob die bisherigen Grenzübergänge reichen oder ob und wo weitere geschaffen werden müssen, wie der öffentliche Nahverkehr gesichert werden muss und wie die Notfallvorsorge organisiert wird. Hierzu organisierte Herr Kolhoff mit einer Berliner Tageszeitung eine Sonderausgabe mit über 2 Millionen Exemplaren.

Am 6.11.1989 beschloss die DDR einen Entwurf für ein neues Reisegesetz, der aber auf erheblichen Widerstand bei den DDR-Bürgern stieß. Am 9.11.1989 unternahm die DDR einen zweiten Anlauf. Herr Schabowski verhedderte sich beim Vorlesen des Erlasses. Aber wer stellte die entscheidende Frage, wann „das in Kraft tritt“? Bisher galt Peter Brinkmann als der Fragesteller. Werner Kolhoff legte dar, dass auch der Wirtschaftsjournalist Ralf Niemeyer eine Rolle spielte (später Ehemann von Sahra Wagenknecht).

Zum Abschluss seines Vortrages schilderte Herr Kolhoff, wie Walter Momper an den Grenzübergang Invalidenstraße fuhr und versuchte, die chaotische Situation zu ordnen. Die staatliche Organisation der DDR war hilflos. Eine Eliteeinheit der Volksarmee saß in einem Bus und wartete auf Befehle – die sie nicht erhielt – Gott sei Dank.

Die Gruppe des Freundeskreises bedankt sich sehr herzlich für diesen spannenden und informationsreichen Vortrag.

Text: Dr. Herbert Mandelartz + Irmtrud Pandza | Foto: Eveline Kopp