Małgorzata Sztremer

Entkreuzung

11. Januar 2024 – 24. Februar 2024

Eröffnung

11. Januar 2024 - 18:00 Uhr

Einführung

Thari Jungen, künstlerische Forschung, Berlin

English version below

Auf den ersten Blick wirken Małgorzata Sztremers Bilder erzählerisch und doch versteht man wenig. Man erkennt einzelne Elemente – Figuren, Gegenstände, Pflanzen, Tiere, Gebäude, Landschaft – und fragt sich aber: Warum hält eine Frau ein geflügeltes Insekt, so groß wie ein Adler? Wieso öffnet sich ein Bühnenraum zu einem unbestimmbaren  Blau: Himmel, Gebirge, Mineral? Detaillierte Darstellungen gehen über in abstrakte Partien, ungegenständliche
Farbfelder changieren mit Erzählfragmenten.
Małgorzata Sztremer nutzt in ihren Arbeiten etwas, für was die Malerei als Medium bis zur Erfindung des Computers prädestiniert schien: uns nicht sichtbare, erfundene, imaginierte Realitäten vor Augen zu stellen, die parallel zur Alltagswelt existieren. Wie in einer Art Montage treten in ihren Bildern unterschiedliche Einflüsse aus Märchen, Mythen und Wissenschaft, Fragmente aus Erinnerungen mit bildlichen Elementen aus anderen Kunstepochen in
Beziehung und verschmelzen zu einer für uns zwar fremd erscheinenden, aber schlüssigen Bildwelt. Genau diese Zwischenwelten sind die Malräume der Künstlerin.
Im Unterschied zu den von Träumen beeinflussten Bildern der Surealist*innen findet Małgorzata Sztremer ihre Bildideen hauptsächlich in Märchen und Mythen, literarischen oder (kunst-)historischen Überlieferungen. Eine zentrale Figur ihrer Bilder der vergangenen Jahre ist Baba Jaga, eine komplexe Figur der weisen Frau mit magischen oder göttlichen Kräften, die tief in der Tradition der slawischen Mythologie verankert ist.
„Im Gegensatz zum Stereotyp der Hexe als einer bösen Frau mit übernatürlichen Kräften erscheint sie in der Malerei von Małgorzata Sztremer zwar als besondere Erscheinung, jedoch nicht als Symbolträgerin von Gut oder Böse. Das Interesse der Künstlerin an der Figur der Hexe als einer souveränen, unabhängigen Frauengestalt verbindet sich in einigen ihrer Bilder mit dem Interesse der Malerin an der Farbigkeit und Materialität der Minerale. Die Beschäftigung mit der Etymologie, mit der mineralogischen Klassifizierung, der Verwendung der Minerale in der Geschichte als auch mit esoterischen Deutungen der Minerale als Heilsteine führen zu einem Konglomerat aus verschiedenen miteinander verwobenen Bildmotiven. Es beginnt ein langer Malprozess, während dessen Małgorzata Sztremer ihre Protagonistinnen ins Verhältnis setzt zu ihren Recherchen und den darauf beruhenden vielfältigen gedanklichen Verbindungen. (…)
Die Funktion und das Wesen der Figuren bestimmen die Konstruktion des Bildraumes. Je mehr die Malerin sich während des Malprozesses der Perspektive ihrer Figuren annimmt, desto komplexer ist die Aufgabe, ihnen den adäquaten Handlungsraum zu geben. (…)

Mit ihren Bildern mag sich Małgorzata Sztremer zuweilen dem Verdacht aussetzen, ihre Kunst sei Ausdruck romantischer Verklärung und Weltabgewandtheit. Allerdings ist es gerade das fehlende Pathos, mit der uns diese (…) Wesen gegenübertreten und sich in ihrem Tun selbst genügen, was berührt und einer Überhöhung entgegenwirkt.“ (Friederike Steitz, Auszüge aus dem Katalogtext „…alles übrige blieb unsichtbar.“ Museum St.Wendel 2022)

Die Ausstellung mit Małgorzata Sztremers Arbeiten ist in Kooperation mit der Kulturstiftung Schloss Wiepersdorf entstanden. Die Künstlerin hatte 2022 ein Stipendium des Ministeriums für Bildung und Kultur des Saarlandes für Schloss Wiepersdorf.

Biografie

2003 – 2005 Meisterschülerin, HBK Saar
1998 – 2003 Studium der Bildhauerei an der HBK Saar, Diplom
1992 – 1997 Studium der Malerei an der Kunstakademie Krakau, Diplom

Lehrtätigkeit seit 2009 Lehraufträge und Dozentin an der Abendschule an der HBK Saar, Saarbrücken
Stipendien 2022 Aufenthaltsstipendium der Kulturstiftung Schloss Wiepersdorf
2009 Förderstipendium der Landeshauptstadt Saarbrücken

Einzelausstellungen (seit 2010)
12.2022 – 02.2023 »…alles Übrige blieb unsichtbar«, Museum St.Wendel / Mia-Münster Haus, zusammen mit Mirjam Elburn
2020 »Herzliche Clique«, Deutsch-Polnische Gesellschaft, Krakauer Haus, Nürnberg
2017 »Masken für die Zeit«, Kulturverein Burbach e.V., Saarbrücken
2014  »The vast home«, Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken
2011 »Atman, Brahman und die Evolution«, Kulturfoyer, Saarbrücken

Gruppenausstellungen (seit 2010)

2023
SaarART 2023 – Au rendez-vous des amis, Städtische Galerie Neunkirchen
2020
»sway with me« Tage der Bildenden Kunst, Saarbrücken, offenes Atelier, zusammen mit Andreas Golczewski
»objects of speculations«, kuratiert von Konstantin Felker und Timo Poeppel, Automat, Saarbrücken
2019
»JA HEY 102 eine spontane kurzzeitige Zwischennutzung«, Saarbrücken, kuratiert von Steffi Westermayer
2017
»*******   u.A.w.g.  ******«, Majolika Manufaktur Karlsruhe,
kuratiert von Thaddäus Hüppi und Thomas Nolden
2014
»Verliebte Künstler & affaire de coeur«, Galerie HBK Saar,
kuratiert von Thaddäus Hüppi und Thomas Nolden
2013
»Grenzgang«, Galerie des BBK RLP, Mainz
2012
»different encounters«, zusammen mit Sabine Kuehnle,
FAT Atelierfrankfurt, Frankfurt am Main »Familientreffen«, organisiert von Corinna Mayer, Atelierfrankfurt, Frankfurt am Main
2011
»Gästezimmer«, organisiert von Corinna Mayer, Atelierfrankfurt,
Frankfurt am Main
2010
»Pani tutaj, abgemacht Teil 2«, Museum Gosz, Saarbrücken,
zusammen mit Michaela Tröscher
»artmix 5« Austauschprojekt zwischen Saarbrücken und Luxembourg
»articulation« Konsthaus beim Engel, Luxembourg
»Lass die visuelle Perzeption ausser Acht«, kuratiert von Mert Akbal und Ting Tan, Caochangdi Gallery of Art, China

Małgorzata Sztremer’s paintings appear to be narrative, at first glance, yet little in them is instantly clear. Figures, objects, plants, animals, buildings, landscapes and other individual elements are recognisable yet questions nonetheless arise. Why is a woman holding up a winged insect the size of an eagle? Why does a raised stage give onto a swathe of indeterminable blue that is possibly sky, mountains or a mineral? Detailed depictions merge into abstract sections. Non-figurative fields of colour alternate with telling fragments.

In her work Małgorzata Sztremer draws on something that, until the computer was invented, painting seemed predestined for, namely to present us with those invisible, fictitious, imagined realities that exist in parallel to our everyday lives. As if in a montage, various influences taken from fairy tales, myths and science are fused on her canvas with personal memories and visual elements from other artistic epochs, to produce a seemingly strange yet coherent pictorial realm. Indeed, exploring in-between or hybrid worlds is the very core of the artist’s practice.

In contrast to the Surrealists, however, whose work was influenced by dreams, Małgorzata Sztremer draws on fairy tales and myths, as well as on literary and (art-)historical traditions. A central figure in her more recent paintings is Baba Jaga, a wise woman with magical or divine powers who is deeply rooted in Slavic mythology. As Friederike Steitz wrote in the catalogue on the occasion of the exhibition “…everything else remained invisible” at Museum St.Wendel in 2022:

In contrast to the stereotype of the witch as an evil woman with supernatural powers, [Baba Jaga] appears in Małgorzata Sztremer’s work as a remarkable phenomenon, but not as a symbol of good or evil. The artist’s interest in the figure of the witch as a sovereign, independent female figure is combined in some of her paintings with her interest in the colourfulness and materiality of minerals. Her preoccupation with etymology, mineralogical classification, the use of minerals in history, and esoteric interpretations of minerals as healing stones leads to a conglomerate of interwoven pictorial motifs. A long painting process begins, during which Małgorzata Sztremer places her protagonists in relation to her research and the diverse intellectual connections based on it. (…). The function and nature of the figures determine the construction of the pictorial space. The more the painter takes on the perspective of her figures during the painting process, the more complex is the task of giving them the appropriate scope for action. (…). Małgorzata Sztremer’s paintings may sometimes give rise to the suspicion that her art is an expression of romantic transfiguration and detachment from the world. However, it is precisely the lack of pathos with which these (…) beings confront us and the self-sufficiency of their actions that is touching and counteracts exaggeration.

The present exhibition of Małgorzata Sztremer’s works was organised in cooperation with the Kulturstiftung Schloss Wiepersdorf. The Saarland Ministry of Education and Culture awarded the artist a scholarship for a residency at Schloss Wiepersdorf in 2022.