Anna Zemánková, Lubos Plny, Frantisek Dymácek

art brut - Anatomia Metamorphosis

11. Oktober 2012 – 17. November 2012

Eröffnung

11. Oktober 2012 - 19:00 Uhr

Grußwort

Henry Bren d'Amour, Vertretung des Saarlandes beim Bund in Berlin; Karolina Kubas Grocholová, Kulturattaché der Botschaf der Tschechischen Republik

Einführung

Terezie Zemánková, PhD., Kuratorin

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ART BRUT: Anatomia Metamorphosis
Anna Zemánková / Lubos Plny / Frantisek Dymácek

Das Projekt Anatomia metamorphosis konzentriert sich auf zwei tschechische Art-Brut-Künstler und eine Künstlerin. Es stellt die Arbeiten von Anna Zemánková (1908–1986) und Lubos Plny (*1961) vor, die bereits international anerkannt sind. Mit dem Zeichner Franticek Dymácek (1929–2003) wird eine Neuentdeckung präsentiert.

Die Ausstellung hatte ihre Premiere 2009 in der Pariser Galerie abcd. 2011 fand sie in den Räumen des Museums Montanelli statt, dieses Jahr wurde sie mit großem Erfolg in Museen in Kobe und Hiroshima (Japan) gezeigt. Jetzt ist sie auch für das Berliner Publikum zu sehen.
Der französische Maler und Art-Brut-Sammler Jean Dubuffet definierte Art Brut als »künstlerische Produkte aller Art (…), die eine Spontaneität und eine große künstlerische Vorstellungskraft aufweisen und die sich möglichst wenig der heute üblichen Kunst und Kunstvorlagen unterordnen. Bei dieser Kunstform »werden wir Zeugen einer völlig reinen, rohen künstlerischen Tätigkeit, die in ihrem Ganzen oder in ihren einzelnen Phasen ausschließlich vom Autor und seinen eigenen Beweggründen ausgeht.«
Auch die Arbeiten der Künstler, die im Projekt Anatomia Metamorphosis vertreten sind, sind originell und solitär. Trotzdem gibt es eine innere Verbindung.
Die künstlerischen Projekte kreisen um einen fixen Gedanken: Zemánková, Plny und Dymácek reflektieren in ihrem Schaffen – jeder auf seine absolut einzigartige Weise – ihre Körperlichkeit und unterziehen sie zahlreichen anatomischen Metamorphosen.
Für Lubos Plny (*1961) ist die künstlerische Arbeit ein wissenschaftliches Projekt. Bei seinen Tuschezeichnungen, die häufig durch Acrylmalerei und Collagen ergänzt werden, handelt es sich meist um anatomische Selbstporträts. Er hält darin Experimente fest, die er am eigenen Körper durchführt und wie in tomographischen Schnitten zeichnet. Eine große Inspiration für ihn war die Geburt seines Sohns Vincent (2005), der in den letzten Jahren zum zentralen Thema seines Schaffens wurde.
Während Lubos Plny das Innere des menschlichen Körpers explizit enthüllt, reflektiert Anna Zemánková (1908–1986) ihre Körperlichkeit unterbewusst. Organische Formen, die an physiologische Prozesse im Zusammenhang mit der Mutterschaft erinnern, verbirgt sie hinter pompös schönen Pflanzenmotiven, maskiert sie mit Tausenden von Details. Manchmal perforiert sie ihre Pastellzeichnungen oder ergänzt sie durch gehäkelte Applikationen. Sie schuf so ein fantastisches Herbarium mit Pflanzen aus einer anderen Welt.
Der künstlerische Prozess und die Formenlehre von Franticek Dymácek (1929–2003) erinnern an die Zeichnungen spiritistischer Medien. Mit Kugelschreiber und Filzstiften erarbeitet er dynamische, organische Strukturen, die an Zellkumulationen oder Schnitte durch Körperorgane erinnern. Dymáčeks Zeichnungen kartieren seinen mentalen Raum, sie sind ein Labyrinth, das von Dämonen bewacht wird, die aus den Wirren seiner nur scheinbar dekorativen Arabesken hervorlugen.

Zur Ausstellung sind drei dreisprachige (deutsch-tschechisch-englisch) Kataloge erschienen.

Kontakt Prag:
Jana Kleinová, Tel.: +420 257 531 220 Mobil: +420 724 992 545
E-mail: jana.kleinova@muzeummontanelli.com

ART BRUT: Anatomia Metamorphosis
Anna Zemánková / Lubos Plny / Frantisek Dymácek

The Anatomia Metamorphosis project is devoted to three Czech creators of art brut. Alongside two artists of international reputation – Anna Zemánková (1908-1986) and Lubos Plny (born 1961) – it also introduces the recently discovered graphic artist Franticek Dymácek (1929-2003).
Premiered at the Paris ABCD gallery in 2009, the exhibition was shown at the Muzeum Montanelli in 2011 and this year has enjoyed great success in Japan, in Kobe and Hiroshima. Now Berlin gallery-goers will also have a chance to see it.
The French painter and collector of non-professional art Jean Dubuffet defined art brut as âartistic productions of all kinds […] that display spontaneity and great creative imagination while possibly owing very little to mainstream art and cultural models. […] What we witness here is absolutely pure, raw artistic activity which, in its entirety and in its separate phases, arises in the author and his own inspiration.“
In the same way, the creative output of the artists represented in Anatomia Metamorphosis is original, individual and unique. Yet in spite of this there is a certain commonality between them, in particular one constant and recurrent idea: Zemánková, Plny and Dymácek, each in their own inimitable way, are all concerned with their own physicality, which they subject to various anatomical metamorphoses.
For Lubos Plny creativity is a scientific process. His ink drawings, often augmented with acrylic paint or collage, are for the most part anatomical self-portraits. In them he documents experiments conducted on his own body, which he renders in tomographic sections. A major inspiration was the birth of his son Vincent in 2005, which became a central motif in his work.
Whereas Lubos Plny reveals the inside of the human body explicitly, Anna Zemánkovás response to her physicality is more subconscious. Concealed behind a dense mask of detail in her elaborately beautiful floral motifs, we detect organic shapes evocative of the physiological processes associated with motherhood. Sometimes she overlays her pastel drawings with crochet appliqué or adds perforations. In this way she has created for us a fantastic herbarium that is literally out of this world.
With Franticek Dymácek, both the creative process and the visual idiom are reminiscent of the drawings of psychic mediums. Using ballpoint or felt-tip pens, he creates dynamic organic structures that evoke clusters of cells or cross-sections of body organs. Dymáceks drawings are a cartography of his mental space, a labyrinth guarded by demons that peek out at us from the tangle of his seemingly decorative arabesques

Grußwort von Dr. Karolina Kubas Grocholová, Kulturattaché der Botschaf der Tschechischen Republik

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist mir eine große Ehre, dass ich Sie in Vertretung des Botschafters Herrn Dr. Rudolf Jindrák, der leider krank geworden ist, als Kulturataché der Botschaft der Tschechischen Republik in diesen historischen Räumlichkeiten des Palais am Festungsgraben zur Eröffnung der Ausstellung »art brut: Anatomia Metamorphosis« begrüßen darf. Ich fühle mich umso mehr geehrt, weil wir am heutigen Abend Zeugen außergewöhnlicher Kunst dreier tschechischer Art-Brut-Künstler sein werden.
Soweit ich es beurteilen kann, liegt die Kunst des art bruts jenseits etablierter Kunstformen und Kunstströmungen. Im anglo-amerikanischen Sprachraum wird art brut als »Außenseiter-Kunst« bezeichnet. Leider hat heutzutage dieser Begriff »Außenseiter« eine eher negative Bedeutung. Ich persönlich glaube aber, dass das Gegenteil der Fall ist. In unserer Zeit sehen wir zahllose Künstler und Künste, die oft uniform sind. Die Kunst wird auch seit ein paar Jahren mehr durch Medien, Technologie und Globalisierung beeinflusst, und ist vor allem dem Druck zur Konformität – der Übereinstimmung mit dem Rest der Kunstwelt ausgesetzt. Alle Künstler möchten »in« sein und dabei wird oft der Kontrast, die Raffinesse und die Möglichkeit der Öffentlichkeit die Kunst als ganz neu oder verborgene und unentdeckte Welt zu zeigen, in den Hintergrund gestellt oder geht oft verloren.
Sehr geehrte Damen und Herren, das Projekt Anatomia metamorphosis stellt heute Abend Arbeiten zweier bereits international anerkannter tschechischer Art-Brut-Künstler, Frau Anna Zemánková und Herr Lubos Plny, vor. Mit dem art brut Zeichner Franticek Dymácek wird sogar eine Neuentdeckung präsentiert. Frau Zemánková, Herr Plny und Herr Dymácek reflektieren in ihrem Schaffen – jeder auf seine absolut einzigartige Weise – ihre Körperlichkeit und unterziehen sie zahlreichen anatomischen Verwandlungen. »Wir werden Zeugen einer völlig reinen, rohen künstlerischen Tätigkeit, die in ihrem Ganzen oder in ihren einzelnen Phasen ausschließlich vom Autor und seinen eigenen Beweggründen ausgeht«, so das Fazit des französischen Malers und Art-Brut-Sammler Jean Dubuffet. Das Schaffen der hier vertretenen Künstler ist originell, solitär und unikat.
Nach der Ausstellung-Premiere 2009 in Paris, der Stadt der Mode und Kunst, wurde die Ausstellung im darauffolgenden Jahr im Museum Montanelli ausgestellt und 2011 in Japan – in Kobe und Hiroshima. Heute ist sie endlich auch für das Berliner Publikum zugänglich.
Meine Damen und Herren, diese Ausstellung hätte nie das Licht der Welt erblickt ohne die unermüdliche Arbeit der Organisatoren. Besonders herzlich möchte ich mich für die Vorbereitung der heutigen Ausstellung bei Frau Prof. Altenburg-Kohl, der Gründerin des Museum Montanelli, bedanken. Mein besonderer Dank aber gehört den tschechischen Künstlern – Terezie Zemánková, Lubos Plny und Familie Dymácek – für Ihre Bereitschaft, Ihre beeindruckenden Werke hier in Berlin auszustellen.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Erlebnis und einen wunderschönen Abend. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Grußwort von Henry Bren d‘ Amour, Vertretung des Saarlandes beim Bund in Berlin

Liebe Freunde der Saarländischen Galerie – Europäisches Kunstforum,

heute habe ich die Freude und Ehre, zu Ihnen in Vertretung von Herrn Staatssekretär Jürgen Lennartz, dem Chef der Staatskanzlei des Saarlandes, einige Worte der Begrüßung zu sprechen. Es sind keine Worte, mit denen ich Sie in die wunderbare Ausstellung der hier gezeigten Werke einführe, also keine Vorwegnahme dessen, was nachher die Kuratorin zu »art brut: Anatomia Metamorphosis« sachkundig Ihnen erläutern wird. Der Ansatz meines Grußwortes ist ein anderer. Er findet sich in der Zahl drei, der heiligen Zahl drei, die für so vieles steht wie etwa die Dreieinigkeit oder jetzt hier z. B. für die drei Künstler, deren Werke wir heute vorgestellt bekommen. Und es gibt noch einen weiteren Schlüssel zur Zahl drei bei dieser musealen Schau. Die ist allerdings kurz erklärungsbedürftig:

Die uns präsentierten Exponate wurden bereits zweimal in europäischen Metropolen gezeigt, 2009 in Paris und 2011 in Prag. Heute wird diese Ausstellung nun, nachdem sie zwischenzeitlich auch in Japan war, ein weiteres Mal in einer Hauptstadt eröffnet, nämlich hier bei uns in Berlin. Paris, Prag, Berlin, drei Hauptstädte Europas, das uralte Paris, das auf eine über 2000 jährige Geschichte zurück-blicken kann, das alte Prag, das – der Herr Botschafter wird es genauer wissen – ungefähr im 9. Jahrhundert gegründet wurde und europäische Geschichte schrieb, insbesondere auch Kulturgeschichte.

– Und dies sei besonders hervor gehoben, von Prag ging für Deutschland 1989 ein besonderes Zei-chen aus. Damals kündigte der seinerzeitige deutsche Außenminister Genscher vom Balkon der Deutschen Botschaft an, dass die tausenden Ausreisewilligen aus der DDR, die das Botschaftsge-lände gestürmt hatten, in die Bundesrepublik würden ausreisen können. Ihre Hauptstadt, Frau Kulturattaché, wurde somit zu einem unvergesslichen Meilenstein hin zum 9. November 1989, dem Fall der Mauer. Doch nun zurück zu dem Gedanken, den ich mit den drei Hauptstädten verbinde. –

Also, die ehrwürdigen Hauptstädte Paris und Prag sind das eine, das junge Berlin ist das andere. Es wurde im 13. Jahrhundert gegründet und begann, sich erst 1872 nach der Gründung des Deutschen Reiches in den Kreis der großen Hauptstädte Europas zu drängen, sozusagen mit der gewissen An-maßung eines Emporkömmlings. Mittlerweile hat sich Berlin emanzipiert. Es agiert sogar als pulsie-render Mittelpunkt der künstlerischen Avantgarde weit über die Grenzen Europas hinaus.

Paris, Prag, Berlin, diese drei so unterschiedlichen Kulturzentren in der neuzeitlichen Geschichte unseres Kontinents bilden für mich sozusagen eine kulturelle Mélange à Trois. Ihre Beziehung untereinander verkörpert für uns heute Abend hier das gemeinsame Ausstellungsprojekt der »art brut«. Wo, so werden Sie nun fragen, hat das Saarland bzw. Saarbrücken nun seine Rolle in dieser Dreierbeziehung. Meine Antwort ist, dass Frankreich, Tschechien und Deutschland mit dieser Ausstellung eine Triangel bilden und wir, das Saarland, sind der kleine Stab, der Klöppel, der diese Triangel zum Klingen bringt.

Es ist die Saarländische Galerie zu Berlin und es ist die großzügige Sponsorin Prof. Dr. Dadja Altenburg-Kohl mit dem saarländischen Unternehmen Kohlpharma, die das Ausstellungsvorhaben mit viel Energie realisiert haben. Es ist heute Abend hier wirklich ein europäisches Kunstforum mit dem saarländischen Herzschlag aus dem Zentrum Europas. Die saarländische Landesregierung dankt den Kräften, die hinter diesem Projekt stehen und wünscht der Ausstellung im übertragenen Sinne viel Musik!

Einführung von Terezie Zemánková, PhD., Kuratorin

Art Brut ist ein künstlerisches Phänomen, das auf wachsendes Interesse der fachlichen und der laienhaften Öffentlichkeit stößt. Der Nachweis dafür war unter anderem die äußerst erfolgreiche Ausstellung der internationalen Art Brut »World Transformers« (Weltwandler), die vor zwei Jahren in der Frankfurter Schirn stattgefunden hat. Dass es Art Brut aus den Institutssälen, Dachböden, Kellern, Schubfächern und Galerien bis in das Rampenlicht der Kunstszene am Anfang des neuen Millenniums schaffte, hat logische Gründe. Art Brut ist ein spontaner Schöpfungsausdruck, es ist eine intime Beichte, die keine Autozensur kennt, es ist ein Emotionssprudel, der von rationalen Korrektiven befreit ist, es ist, kurzweg, das, was die Kunst ursprünglich war: ein magisches Ritual des Gestalters, sein innerlicher Monolog und gleichzeitig seine Kommunikationsbrücke nach außen. In derartiger Form bildet es das Gegenteil der oft intellektuell überkombinierten gegenwärtigen Kunst, und in derartiger Form wurde es vor 100 Jahren, neben der sogenannten »Kunst der Naturvölker« und Kinderzeichnungen, zu einer Inspirationsquelle für die moderne Kunst. Dies geschah bevor Art Brut ihren Namen bekommen hat: Sie wurde erst 1949 vom französischen Künstler Jean Dubuffet getauft, der sie so charakterisierte: »Es sind Kunstproduktionen …, die Spontaneität und eine große künstlerische Fantasie ausweisen und so wenig wie möglich der üblichen Kunst und kulturellen Modenunterliegen. Die Art Brut Künstler sind unbekannte Personen, dem Milieu der professionellen Künstler fern. Diese Leute schöpfen ihre Motive, ihre Materialauswahl, ihre Syntyx, ihren Rhythmus, ihre Art des Schreibens usw. aus ihren eigenen Quellen, ohne dass sie sich die klassische Kunst oder Kunst die gerade in Mode ist, als Beispiel nehmen. Wir sind Zeugen einer völlig reinen, rohen künstlerischen Tätigkeit, die in ihrem Ganzen und auch in einzelnen Phasen ausschließlich vom Autor und seinen eigenen Motiven ausgeht.«
Das Schaffen von Anna Zemánková, Lubos Plny und Franticek Dymácek entspricht dieser Beschreibung im vollen Maß.
Ich möchte noch ein paar Worte über die Entstehung des Konzepts der Ausstellung Anatomia Metamorphosis sagen. Das Schaffen der Künstlerin und der beiden Künstler kann auf dem ersten Blick völlig unterschiedlich erscheinen. Trotzdem handelt es sich um Kunstprojekte die durch die gleiche gleichen »fixe Idee« verbunden sind: Zemánková, Plny und Dymácek reflektieren in ihrem Schaffen – jeder auf seine absolut einzigartige Weise – ihre Körperlichkeit und unterziehen sie zahlreichen anatomischen Metamorphosen. Ihr Schaffen geht von physischen Impulsen aus, ist der organischen Morphologie untergeordnet und ein Ausdruck der Beziehung der Künstler zu ihrer eigenen Leiblichkeit. Im Werk von Anna Zemánková können wir unbewusste, poetisch verfeinerte Darstellungen von Empfängnis und Geburt, Metaphern von Fruchtbarkeit und Wachsen beobachten. Aggressive, phallische Gebilde penetrieren fleischige Inhalte, sie umhüllen sich und verzehren sich gegenseitig, außerirdische Flora die mit ihrer Form an den fötustragenden Bauch oder die Gebärmutter erinnert. Die Details einiger ihrer Bilder erinnern an Querschnitte von Zellstrukturen, die auch in den Zeichnungen von Lubos Plny erscheinen. In der Zusammenschau der Bilder von Anna Zemánková und den Zeichnungen von Plny wird eine Ähnlichkeit ersichtlich, die bei weitem nicht nur formal ist. Lubos Plny untersucht seinen Körper systematisch, er führt vielfältige Experimente aus, deren Ergebnisse er später in seine Werke einträgt. Genauso wie Anna Zemánková zeichnet auch er anatomische Selbstporträts, untersucht seine Vitalfunktionen, und ist von der Zeugung, der Geburt, und vor allem dem Tod fasziniert.
Auch die ornamentalen Labyrinthe von Franticek Dymácek enthüllen in diesem Kontext ihre vom Körper inspirierte Bedeutung. Sie erinnern an Zellakkumulationen, die oft die Grenzen der Lesbarkeit überschreiten und sich in eine magmatische Materie verdichten, in der erkennbare Körperfragmente oder Elemente aus dem Pflanzenreich sich verfestigen. Der Raum seiner Zeichnungen ist von ornamentalen Verwachsungen überfüllt, aus denen Gesichter von Dämonen schlüpfen. Durch die Morphologie und das automatischen Verfahren erinnert das Werk von Dymácek, wie auch die Arbeiten von Anna Zemánková, an mediale Zeichnungen der Spiritisten.
Für alle wurde der Körper zum Reservoir der Lust und des Leidens, eine Leinwand der psychischen Träume und des unerfüllten Triebs, memento mori und Vergegenwärtigung des Seins, hier und jetzt. Die «künstlerische« Produktion, in der diese Emotionen ihre Form fanden, wurde später zu einer Form von Überleben für alle drei. Dieses Leben im künstlerischen Arbeiten– zusammen mit den ungewöhnlichen ästhetischen Qualitäten der Arbeiten – macht sie zu Hauptvertretern der Art Brut. Gleichzeitig erinnert es uns, dass Art Brut nichts anderes ist, als eine künstlich hergestellte Kategorie, die uns das Unsortierbare einzuordnen erlaubt, aber über die einzelnen Werke wenig aussagt. Die Arbeiten von Anna Zemánková, Lubos Plny und Franticek Dymácek hätten auch ganz ohne kunstwissenschaftliche «Schublade« Bestand.