Johannes Lotz

ICH BIN KEIN MANN IN DER WELT UND UM MICH HER WIRD ES DUNKEL

20. März 2014 – 4. Mai 2014

Eröffnung

20. März 2014 - 19:00 Uhr

Einführung

Carola Deye

+++ Zum Text der Rede zur Eröffnung von Carola Deye bitte nach unten scrollen +++

Nimmt man den Ausstellungstitel wörtlich, kann man aus ihm eine Rückbesinnung auf den Ursprung künstlerischer Arbeit überhaupt herauslesen. Gemeint ist der Rückzug aus der »Welt« in die Sphäre des Seelischen, Ahnungsvollen, Vorbewussten, in das Land der inneren Bilder und Träume.
In Johannes Lotz‘ Arbeiten findet sich diese Zurückweisung von „weltlichen“ Zuordnungen. Zwar sind in seinen Bildern meist Figuren in Räumen oder Landschaften dargestellt, diese Figuren bilden für die Betrachter auch durchaus emotional aufgeladene und greifbare Gegenüber. Sobald man aber versucht, sie mit Zuordnungen wie Alter, Beruf, Geschlecht zu fassen und zu beschreiben, gerät man aufs Glatteis, als habe ihre psychische Präsenz den Preis einer hohen deskriptiven Unbestimmtheit.
Ähnlich verhält es sich mit den Räumlichkeiten in den Bildern: Gestaffelte, labyrinthische, oder auch nur angedeutete Raumfragmente überlagern sich und funktionieren in der malerischen Eigengesetzlichkeit durchaus selbstverständlich. Jeder Versuch, ihnen eindeutige Statik oder real nachvollziehbare Perspektive anzuhängen, läuft aber ins Leere.
Die Bilder von Johannes Lotz verweisen somit immer wieder auf die Gültigkeit und Wichtigkeit des inneren Raumes jenseits der „vermessenen“ Welt.
Gleichnishaft deutlich wird dies in den als Bildkörper verwendeten Türen, von denen eine Reihe präsentiert werden wird: Mit physisch-weltlichen Mitteln wird ein Durchgang geschaffen für den Betrachter, hinüber in jene Welt, die er selbst letztlich jenseits der hiesigen für möglich hält.


Johannes Lotz
, *1975 in Saarbrücken, 1995 – 2001 Akademie für Bildende Künste Mainz, Malerei bei Friedemann Hahn, 2002 – 04 Akademie der Bildenden Künste München, Aufbaustudium »Bildnerisches Gestalten und Therapie« bei Gertraud Schottenloher. Seit 2011 Lehrauftrag an der Hochschule der Bildenden Künste Saar, Saarbrücken.
Einzelausstellungen (Auswahl): 2009 Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken, 2010/2011 Galerie Parrotta, Stuttgart, 2012 Diözesanmuseum Obermünster, Regensburg, Ausstellung zur Verleihung des Schnell- und Steiner-Kulturpreises »Kunst und Ethos«, Kunstaussetzung, Kunstprojekt im öffentlichen Raum, München

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit einem Text von Christoph Wagner.

+ + + Text von Carola Deye nach Auszügen aus Gedichten von Johannes Lotz + + +

„Ich bin kein Mann in der Welt und um mich her wird es dunkel. Inmitten des Jahres endete eine Autobahn im Sand.“

Bereits diese Zeilen – der Ausstellungstitel und der ergänzende zweite Satz, machen deutlich, dass man bei der Malerei von Johannes Lotz nicht von einem sich stringent den Weg bahnenden Verständniskonzept reden kann. Es stellt sich die Frage: durch welche Welten, Landschaften und Räume bewegt sich der Maler – und wie? Das Rosenbeet kann man nur verstehen, wenn man versteht WIE man geht.
Sieht man genau hin, entdeckt man eine Freiheit über der Wiese, wo Hellblau sich dem Wandel in eine Blase entwindet, nur erreichbar auf einer Leiter aus Kastanien.
Das leuchtet unmittelbar ein, denn wie wir wissen, kommt der Maler am Vormittag vorbei als Sammler von Abwesenheiten auf dem Müllberg, verpuppt von Stroh.
Wir erkennen Schiffe, die für Ihren Weg über die Berge ins weite Kleid genäht wurden, ebenso Wege, die ein Netz durch die Äcker flechten und sich zwetschgenfarbend in der Ferne fortpflanzen, wo es leise wird.
Sinneswahrnehmungen, die ohne Umschweife darauf hin deuten, was an der Kiesgrube wie durch ein Sieb kommt: auf dem Spiegel gestreut von viel oberen Blau – wir können es uns denken -, bleibt nur das feine Substrat – und der Schaukelnde schweigt sich durch Zäune voran.
Der Einklang von Oszillation und Kommunikationsbarrikade überrascht in diesem Zusammenhang nicht – machte der Maler doch schon eine frühe Bekanntschaft mit einer schwarzen Schaukel, die ihm Jahre später an einem strahlend hellen Tag, einen Schlag ins Genick versetzte, was den Sturz in ein Blumenbeet zur Folge hatte. So kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: Das Rosenbeet kann man nur verstehen, wenn man versteht WIE man geht.

Der Maler bewegt sich also auf einer Insel mit klingenden Messern. Messer, die zudem über die herausragende Eigenschaft verfügen, in der einen Hand leicht und in der anderen schwer zu sein.

Wenden wir uns mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf der Stadt zu, genauer: der Stadtlandschaft.
Hände reichen ein Haus aus der Zone hinaus. Zu dem oberen Blaun und irdenerem Braun fährt das Rad allein in die tönerne Welt die spiralig gewellt ist.
Rachen und Hälse von Pferden bilden Torbögen über der langen Allee. Der Schlund des Straßenaales ist wie ein toter Mittag. Das Gold der Kronen nimmt er als Zugabe wie Zucker.
Eine zentrale Frage für den Maler ist immer wieder: Bauten sie den blauen Kran in der Nacht, als ich die Uhr aus dem Turm schnitt, um das Läuten einmal einfach zu erleben? Darauf findet sich eine erstaunlich plausible Antwort: die Stadt war zweifelhaft zerhackt und fügt sich erst neu zusammen.

Anhand dieser Überlegungen möchte ich den Landschaftsbegriff von Johannes Lotz zunächst wie folgt zusammenfassen: Schenke mir Türen zu unterteilen Himmel in Zimmer.Damit s ind Eigentümlichkeiten beschrieben, die auch die Qualität seiner Malerei ausmachen.

Wie aber läßt sich dieser spezielle Blick auf Landschaft zeitlich einordnen? Immerhin, das Wort „Pfennig“ findet sich auf dem Feldweg im Dreck unter den Sohlen des Großvaters. Der Maler äußert sich dazu recht knapp: Deutsche Gärten, deutsche Straßen, wir sitzen da, die Hälfte unserer Gruppe besteht aus Puppen.
Man bekommt den Eindruck, Johannes Lotz, sei aus der Zeit unter den Tisch gefallen, bzw. er würde auch heute noch einmal auseinander fallen.
Als würden Tore, die vor zwanzig Jahren von seinesgleichen beschrieben wurden, sich heute erst hinaus zu den Feldern der Wahl öffnen – und zwar mit Schwung. Eine Belebung der Büsten. Der Ausdruck einer retroromantischen Haltung.

Dieses scheinbar rückwärts gewandte Anliegen gestaltet sich betont gegenwärtig und jeden Tag neu: Was geschieht mit der Zwiebel des Tages? Wird der Maler sie heute häuten wie die alten Schichtarbeiter? Wird er Taten stapeln zu einem ragenden Berg, oder sie als Hügel sanft in Ebenen wie der Sandmann Sand in die Abendweite streuen? Anders: Wie wird er der Landschaft des Tages gerecht?
Folgende Vorgehensweise ist vorstellbar: der Maler geht aus dem Ort und sieht einen Stier im letzten Sonnenbad stehen. Der Maler erschlägt seine Furcht mit einer Schaufel und bleibt sitzen, ohne Willen, ohne Staunen, nur der Hülle nach ein Tier.

Eine Transformation, die ein anderes, zentrales Motiv des Malers deutlich werden läßt: der Körper, seine Strapazierungen und Schrunden.
Wie wir bereits im Eingangsbereich lesen konnten: Schläuche und Gefaser hängt schwarz vom Rücken. So wühlt Johannes Lotz buchstäblich immer wieder mit den Händen in der lebendigen Brühe.
Diese Hände meinen wir zu sehen, wie sie sich an einen abgewetzten Stein wund schlagen, der am Abend eine Katze darstellt und dessen Härte Wandel bringt. Wir sehen auch, wie die Reste der Hand am letzten Abend streifenweise die Tapete vom Weltall der Wand reißen.

Aber auf JEDEN wartet ein Körper. Ein Tag erlischt im Fleisch. Ein Arm fällt in die Nacht und endet vor der Tür, ein Auge im Gewühl. Wer es erkennt, hat davon nichts, nur blaue Lippen. Man könnt sogar soweit gehen, zu behaupten: im Nacken sitzt stachlig Hölderlin.
Es stellt sich die nahe liegende Frage: Sind unsere Augen vielleicht nur Wunden abgeschnittener Äste? Zu konstatieren ist, dass sie mitunter schwer wie ein Heer von Bleisoldaten werden.
Mit einer raffinierten Methode wird Abhilfe geschaffen: Der Kopf im Licht kann nichts dagegen tun aus welchen Nähten die Energie platzt, also pfropft der Maler ihn auf einen Pfosten nah am Weg und zündet ihn an – als hellroten Lampion.

Wir können noch einen Schritt tiefer eintauchen in die Systematik der Bildwelten, die wir hier vor uns sehen.
Der Maler weist darauf hin: Ein Biest ist am entstehen mit jedem Schritt, den er geht. Gleichzeitig wohnt ein Engel in den Gefühlen, aus Blech, oder aus Stein.
Es steigt also parallel, auf einer Nacht weißschwarz gestreiften Leiter hasenartig unbekannt ein anderer empor.

Diese psychologische Tiefe ist bezeichnend für das Werk von Johannes Lotz. Er überträgt archetypische Ausformungen von Seelenzuständen in Malerei. Bei intensiver Betrachtung seiner Bilder kann man die Transformation geradezu eins zu eins nachvollziehen:
All seine Schmerzen scheinen mitunter zum Schmunzeln, biegen sich zum Lächeln, biegen sich zum Boot am Abend neben den Gleisen. Sein Ich aus faulem Stroh muss den Winter nicht auf dem Feld verbringen. Er trägt es zum Kamin, wo es poetisch schrumpft und dunkelt.
Der Herbst auf seinem Brot hat ganz helle Löcher. Ein Zug ist auf der Brücke und fährt von Not nach Not.
Die Zumutung kommt am Bahnhof an. Der Zug mit dem ganzen Ballast Baumwolltüten in verwaschenem Farbton. Dem Betrachter wird klar, dass sein Mut wächst und alles aufs Verwandeln wartet. (Ich möchte darauf hinweisen, dass an dieser Stelle interessanterweise das Motiv der Leiter wieder auftritt:) denn besagte Leitern werden an das Haus gelehnt und die regnerische Leinwand mit zauberisch molekularen Händen einfach abgespannt.

Wie kommt es zu dieser Verweigerungshaltung innerhalb des Spannungsgefüges von Narration und Material, Form und Antiform?
Man könnte vermuten, dass der Maler niemandem den Platz und auch niemandem den Schatz wegnehmen will und, weil das Unbequeme für ihn gut eingerichtet ist, in der Tradition der Sonderlinge bleibt.
Aber ist dem so? Wir sind mit der Frage der Selbstständigen vertraut: Wer auch immer ihre Spuren heute malt, wird dafür leider kaum bezahlt.
Kann man folglich diese Linie nicht durchtrennen und macht es keinen Sinn, um die Wette zu rennen? Kann der Maler diese Linie allenfalls vergolden, oder mit den Strahlen des Mondes versilbern?

Die künstlerische Strategie, die Johannes Lotz diesem Dilemma entgegensetzt, ist aufschlussreich für das Verständnis des gesamten Werkes:

als das Schweigen sehr nervös wird, versenkt er ein Fragezeichen wie einen Anker in der werktagverlassenen Wiese. Ausufernde Schlaufen verzieren das Grün damit es sein Verblassen leichter nimmt.
Natur macht Werbung für den Sinn ihrer Dramen mit den schönsten Farben. Demnach ist die Frage, welcher Ästhet das bezahlt, allzu menschlich.

Zum Abschluss möchte ich frei nach den Motto: „Wäre ich nicht hier, wäre hier nichts, sagt der Rabe und fliegt“ nur noch hinzufügen: Alles hat seinen Platz, kleine Löcher, große Hallen. Wir warten heimlich auf die nächste Dimension.